{"id":714,"date":"2024-01-25T06:43:27","date_gmt":"2024-01-25T06:43:27","guid":{"rendered":"https:\/\/paulo-freire-kooperation.de\/?p=714"},"modified":"2024-01-25T06:43:29","modified_gmt":"2024-01-25T06:43:29","slug":"massaker-im-sueden-israels-vernichtung-der-hamas-im-gazastreifen-wiederholen-sich-katastrophen-ein-befreiungspaedagogischer-aufriss","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/paulo-freire-kooperation.de\/massaker-im-sueden-israels-vernichtung-der-hamas-im-gazastreifen-wiederholen-sich-katastrophen-ein-befreiungspaedagogischer-aufriss\/","title":{"rendered":"Massaker im S\u00fcden Israels\/,,Vernichtung der Hamas\u201c im Gazastreifen: Wiederholen sich Katastrophen? Ein befreiungsp\u00e4dagogischer Aufriss*?"},"content":{"rendered":"\n
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Heinz Peter Gerhardt <\/strong><\/p>\n\n\n\n Heiner Zillmer<\/strong><\/p>\n\n\n\n In seinem epochemachenden Werk \u201eP\u00e4dagogik der Unterdr\u00fcckten\u201c schrieb Paulo Freire (1971: 37):<\/p>\n\n\n\n \u201cMit der Schaffung von Unterdr\u00fcckungsverh\u00e4ltnissen hat die Gewalt bereits begonnen. Noch nie in der Geschichte wurde die Gewalt von den Unterdr\u00fcckten initiiert. Wie k\u00f6nnten sie die Initiatoren sein, wenn sie selbst das Ergebnis von Gewalt sind? (\u2026.) Es g\u00e4be keine Unterdr\u00fcckten, wenn es nicht zuvor eine Situation der Gewalt gegeben h\u00e4tte, um ihre Unterwerfung zu begr\u00fcnden. Die Gewalt wird von denen initiiert, die unterdr\u00fccken, die ausbeuten, die andere nicht als Personen anerkennen \u2013 nicht von denen, die unterdr\u00fcckt, ausgebeutet und nicht anerkannt werden.\u201d Freire pr\u00e4zisiert aber klar, \u201eSoll dieser Kampf (um Befreiung, d. V.) einen Sinn haben, dann d\u00fcrfen die Unterdr\u00fcckten bei ihrem Versuch, ihre Menschlichkeit wiederzugewinnen (als Mittel, um sie zu schaffen), nicht ihrerseits Unterdr\u00fccker der Unterdr\u00fccker werden, sondern sie m\u00fcssen vielmehr die Menschlichkeit beider wiederherstellen. Das also ist die gro\u00dfe humanistische und geschichtliche Aufgabe der Unterdr\u00fcckten: sich selbst ebenso wie ihre Unterdr\u00fccker zu befreien.\u201c (S. 22)<\/p>\n\n\n\n Wie k\u00f6nnen wir zu dieser Aufgabe beitragen, vor dem Hintergrund zweier Kriegsparteien, die jeweils f\u00fcr sich reklamieren, \u201aBefreiungsbewegung\u2018 zu sein?<\/p>\n\n\n\n Um 1800 lebten etwa 5000 Menschen j\u00fcdischen Glaubens in Pal\u00e4stina. Eine verst\u00e4rkte j\u00fcdische Migration nach Pal\u00e4stina aufgrund von Pogromen in Osteuropa Ende des 19. Jahrhunderts und schlie\u00dflich im 20. Jahrhundert vor, w\u00e4hrend und nach dem Holocaust lie\u00df diese Zahl kontinuierlich anwachsen.<\/p>\n\n\n\n Diese Migration geschah bis zum ersten Weltkrieg in ein Gebiet unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches in Rahmen der ersten<\/p>\n\n\n\n \u201cAlija\u201d (Hebr\u00e4isch: Aufstieg\/ Auswanderung) weitgehend friedlich. In Verhandlungen mit den zionistischen F\u00fchrern der Zeit wurden sogar Privilegien gew\u00e4hrt, wie zum Beispiel die Erlaubnis hebr\u00e4ische Schulen zu \u00f6ffnen und eine j\u00fcdische Miliz zu bilden. Erst nach Ausbruch des 1. Weltkrieges und nach der 2. Alija, der \u201cAlija Bet\u201d (1934 \u2013 1948), wurden die j\u00fcdische Einwanderung vermehrt als eine feindliche und subversive Bewegung angesehen, deren territoriale Anspr\u00fcche sogar die Unterst\u00fctzung einer Gro\u00dfmacht gefunden hatten: In der Balfour Erkl\u00e4rung von 1917 erkl\u00e4rte sich Gro\u00dfbritannien mit dem Ziel der Zionisten einverstanden, in Pal\u00e4stina eine nationale Heimstatt f\u00fcr Juden einzurichten.<\/p>\n\n\n\n Im Jahre 1897 hatte es auf den ersten Zionisten Kongress bereits Diskussionen um die Etablierung einer j\u00fcdischen Staatlichkeit in Pal\u00e4stina gegeben. Die Zionisten wollten sich von der Unterdr\u00fcckung in ihren Diaspora Staaten, insbesondere Deutschland (Hofprediger Adolf St\u00f6cker, Historiker Heinrich von Treitschke z.B.) und Frankreich (Dreyfus Aff\u00e4re) \u201abefreien\u2018. Denn auch nach der Aufkl\u00e4rung und der so genannten \u201eJudenemanzipation\u201c dauerte die Unterdr\u00fcckung an.<\/p>\n\n\n\n Die bereits w\u00e4hrend des ersten Weltkrieges beginnende Neuordnung des Osmanischen Reiches war f\u00fcr die zionistische Bewegung die M\u00f6glichkeit, diesem Ziel n\u00e4her zu kommen.<\/p>\n\n\n\n Im Jahre 1918 lebten nach Z\u00e4hlungen der britische Milit\u00e4rregierung 573.000 Araber (davon 10 % Christen) und 66.000 Juden (circa 10,3 % der Gesamtbev\u00f6lkerung) in Pal\u00e4stina. 1936 hatte sich das Verh\u00e4ltnis nach massiver Einwanderung aufgrund des Aufstiegs des Nationalsozialismus bereits deutlich ver\u00e4ndert: 955.000 Araber (davon circa 12 % Christen) und 370.000 Juden, 27 % der Gesamtbev\u00f6lkerung (Philipp 2008). Diese Gemengelage f\u00fchrte vor und nach dem Zweiten Weltkrieg zum bewaffneten Kampf zwischen einheimischen Pal\u00e4stinensern und der im Laufe der Jahrzehnte zugewanderten Migranten j\u00fcdischen Glaubens. Die bereits para- milit\u00e4risch organisierten Siedler und Neuank\u00f6mmlinge gewannen bei diesen Auseinandersetzungen zusehends die Oberhand und die Vertreibung der arabischen Bev\u00f6lkerung beschleunigte sich. Sie ging als \u201eNakba\u201c (Arabisch: Katastrophe) in die pal\u00e4stinensische Geschichtsschreibung ein. Sie dauert bis heute an. Mit dem f\u00fcnften Gaza Krieg beschleunigt sie sich zurzeit.<\/p>\n\n\n\n Eigentlich sah der Teilungsplan der Vereinigten Nationen von November 1947 eine Zweistaatenl\u00f6sung f\u00fcr Pal\u00e4stina vor: Zwei Staaten verbunden entweder durch eine Wirtschaftsunion oder im Rahmen eines Bundesstaates mit einem arabischen und j\u00fcdischen Teilstaat. Im Mai 1948 erfolgte dann jedoch sehr schnell die israelische Staatsgr\u00fcndung. Nach dem Ersten Arabisch \u2013 Israelischen Krieg, der daraufhin ausbrach, wurden an die 700.000 Pal\u00e4stinenser staatenlos. An die 40 % des von der UN eigentlich f\u00fcr die Pal\u00e4stinenser vorgesehenen Gebiete wurden vom neu gegr\u00fcndeten Staat Israel annektiert.<\/p>\n\n\n\n Sp\u00e4testens zu diesem Zeitpunkt kann man also von einer systematischen Unterdr\u00fcckung der Pal\u00e4stinenser durch Organe des j\u00fcdischen Staates sprechen. Der Erfahrungsraum der Pal\u00e4stinenser in Bezug auf diesen Staat, seine Verwaltung, sein Milit\u00e4r, seine Gerichte und insbesondere seiner weiterhin sich ausbreitenden messianischen, teilweise sozialistischen Siedlergemeinschaften ist einer der fortschreitenden Unterdr\u00fcckung und der Einengung des Lebensraumes der einheimischen Bev\u00f6lkerung. Auch die im israelischen Staatsgebiet lebenden Pal\u00e4stinenser, israelische Staatsb\u00fcrger, wurden und werden einem diskriminatorischen Rechtssystem unterworfen (Bard 2023).<\/p>\n\n\n\n Die einheimischen Pal\u00e4stinenser, sei es w\u00e4hrend des Osmanischen Reiches sei es w\u00e4hrend der Zeit des britischen Mandatsgebiets, schufen erst sp\u00e4t eigene zivile und milit\u00e4rische Organisationen, um gegen die zunehmende Einengung ihres Lebensraums Widerstand zu leisten. Ein staatlich verfasstes Verwaltungsgebiet Pal\u00e4stina existierte im Osmanischen Reich nicht. Erst die britische Milit\u00e4rverwaltung richtete das Mandatsgebiet Pal\u00e4stina ein. Und erst 1923 wurden die Grenzen Pal\u00e4stinas von den Siegerm\u00e4chten des ersten Weltkrieges festgelegt.<\/p>\n\n\n\n Die heute bekannteren zivilen, politischen und milit\u00e4rischen Organisationen auf Seiten der arabischen Bev\u00f6lkerung (PLO und Hamas) und ihre historischen Vorl\u00e4ufer waren allesamt nicht in der Lage, aus eigener Kraft eine eigene Staatlichkeit zu entwickeln. Die heutige pal\u00e4stinensische Autonomiebeh\u00f6rde ist die vorl\u00e4ufige Selbstverwaltung der Pal\u00e4stinenser in den Gebieten, Westjordanland und Gazastreifen. Sie ist aus den Friedensverhandlungen (ab 1993) zwischen Israel und der Pal\u00e4stinensischen Befreiungsfront (PLO) in Oslo hervorgegangen. Sie hat nur begrenzte Kompetenzen und Souver\u00e4nit\u00e4t, die von Israel kontrolliert und seit Jahren immer mehr eingeschr\u00e4nkt werden. Einen eigenen Staat Pal\u00e4stina hat die PLO 1988 in Algier (!) ausgerufen (Hauptstadt Jerusalem). Er umfasst das gesamte von Israel seit 1967 besetzte Gebiet. Dieser Staat wird von 138 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen anerkannt. Deutschland tat dies nicht. Es pflegt aber offizielle Beziehungen zur Autonomiebeh\u00f6rde im Range eines Botschafters, der in der deutschen Botschaft in Tel Aviv (!) residiert.<\/p>\n\n\n\n Flugzeugentf\u00fchrungen, Attentate, kriegerische Auseinandersetzungen und zuletzt das Gemetzel vom 7. Oktober 2023 der \u201cHamas\u201d (Arabisch: Begeisterung, Kampfgeist) im S\u00fcden Israels sind historische und aktuelle Versuche, die Aufmerksamkeit f\u00fcr das Schicksal der Araber in diesem Gebiet aufrecht zu erhalten. Wut und Hass auf Israel und seine Bewohner kennzeichnen diese Aktionen. Sie l\u00f6sten und l\u00f6sen weltweit Entsetzen aus und verst\u00e4rken die Repression der Staats \u2013 und Besatzungsgewalt. Auf der israelischen Seite verh\u00e4rteten sich insbesondere nach dem Scheitern des Osloer Friedensprozesses die Positionen. Der Konflikt wurde seitdem nur noch \u201everwaltet\u201c.<\/p>\n\n\n\n Mitglieder der heutigen, teilweise rechtsradikalen Regierung Israels, insbesondere die Parteien der Siedlergemeinschaften, sprechen offen von der Vertreibung der \u201cFeinde Israels\u201c aus dem israelischen Staatsgebiet und aus den 1967 von Israel besetzten pal\u00e4stinensischen Restgebieten. \u201cEretz Israel\u201d soll geschaffen werden.<\/p>\n\n\n\n \u201eEretz Yisrael\u201c (Hebr\u00e4isch: Erde Israels) und ein Islamischer Staat in den Grenzen des ehemaligen britischen Mandatsgebietes, das \u201eStaats\u201c-Ziel der Hamas, bzw. ein PLO Staat Pal\u00e4stina, schlie\u00dfen sich gegenseitig aus. Ohne Verst\u00e4ndigung wird es nicht gehen, wenn sich die Katastrophen der jeweiligen nationalen Geschichten nicht in Dauerschleifen wiederholen sollen,<\/p>\n\n\n\n Das menschliche Leben im hoch ger\u00fcsteten j\u00fcdischen Staat ist hoch gef\u00e4hrdet, wie das abscheuliche Massaker vom 7. Oktober zeigt. Er, seine B\u00fcrger und Menschen j\u00fcdischen Glaubens weltweit werden wegen seiner Art der \u201eVerwaltung der Frage\u201c (Ehud Barak) einer eigenen Staatlichkeit der Pal\u00e4stinenser auch au\u00dferhalb seiner Grenzen angegriffen. Die Art und Weise der Wahrnehmung des Selbstverteidigungsrechts durch die jetzige israelische Regierung nach dem 7. Oktober 2023 scheint die prek\u00e4re Sicherheitslage des Staates, seiner Bewohner und j\u00fcdischer B\u00fcrger weltweit eher zu versch\u00e4rfen als zu verringern. Tausende von Diaspora- Pal\u00e4stinenser weltweit \u2013 und noch mehr Gleichgesinnte in diesen Staaten \u2013 versuchen durch \u00f6ffentliche Demonstrationen die Frage der Staatenlosigkeit und die Verweigerung R\u00fcckkehrrechts der Pal\u00e4stinenser in die Heimat zu thematisieren.<\/p>\n\n\n\n Die Befreiungsp\u00e4dagogik ist eine Theorie und Praxis, die zuv\u00f6rderst, von dem brasilianischen Juristen und P\u00e4dagogen Paulo Freire entwickelt wurde. Sie zielt darauf ab, Unterdr\u00fcckte zu bef\u00e4higen, sich kritisch mit ihrer gesellschaftlichen Situation auseinanderzusetzen. Sie basiert auf folgenden Grundannahmen:<\/p>\n\n\n\n Diese alternative p\u00e4dagogische Umgangsform beteiligt die Unterdr\u00fcckten am Prozess der Befreiung, macht sie zu Autoren. Sie basiert auf der \u201cproblemformulierenden Bildung\u201d, bei der die Lehrer und die Sch\u00fcler gemeinsam die Probleme ihrer Realit\u00e4t erforschen, analysieren und tendenziell in einer ersten L\u00f6sung erproben. Dabei nutzen sie die \u201eGenerativen Themen und W\u00f6rter\u201d, die die Schl\u00fcsselbegriffe und -fragen ihrer Lebenswelt darstellen. Dialog ist die pr\u00e4ferierte Auseinandersetzungsform mit den angesprochenen Problemen. Ein Prozess der Bewusstseinsbildung wird in Gang gesetzt, der die Unterdr\u00fcckten dazu bef\u00e4higt, ihre eigene Situation zu erkennen, zu kritisieren und zu ver\u00e4ndern. Dieser Prozess wird als die \u201cPraxis der Freiheit\u201d bezeichnet, die aus der Dialektik von Reflexion und Aktion besteht. Eine Selbsterm\u00e4chtigung findet statt. <\/p>\n\n\n\n Zu diesem Prozess der Selbsterm\u00e4chtigung geh\u00f6rt die praktische Ein\u00fcbung in das Verstehen und Praktizieren von Vielfalt. Als Strategie gegen die zunehmenden Tendenzen zu autorit\u00e4rem Denken und der Verfestigung autorit\u00e4rer Machtstrukturen. Diesen Entwicklungen liegt etwas Gemeinsames zugrunde, n\u00e4mlich die Reduktion von Vielfalt auf wenige einfache Erkl\u00e4rungsmuster und autorit\u00e4re Machtstrukturen. In der extremsten Form geht es um die Herstellung von Ein-eindeutigkeit, also um den Ausschluss jedweden Zweifels an der Wahrheit einer Aussage. Der Islamwissenschaftler Thomas Bauer hat diese Entwicklungen untersucht und den weltweiten Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt beschrieben (Bauer 2018). \u00dcber lange Zeitr\u00e4ume der Geschichte waren die gro\u00dfen Kulturen mit ihren Religionen durch Vielfalt und Toleranz charakterisiert. Ein besonderes Merkmal ist dabei die F\u00e4higkeit, Ambivalenzen in Texten und im Leben zu ertragen oder sogar zu f\u00f6rdern. Das galt auch f\u00fcr den Islam, bis an die Schwelle der Moderne, etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts. In Konfrontation mit dem wirtschaftlich und milit\u00e4risch \u00fcberlegenen Westen, sahen sich die islamischen Gesellschaften gedem\u00fctigt und in die Enge getrieben. Man sah eine L\u00f6sung in dem Versuch, den Westen zu kopieren. Und das zu einer Zeit, als der Westen selbst auf einem Tiefpunkt seiner Ambivalenz-Toleranz war, in Form von Ideologien, die das 20. Jahrhundert weltweit in einem Desaster werden lie\u00df. Die vom Westen \u00fcbernommenen Muster verwandelten die vielfalt-tr\u00e4chtigen Texte des Islam in politisch Ideologien mit ein-eindeutigen Welterkl\u00e4rungen und strikt autorit\u00e4ren Strukturen. Es entstand der politische Islam, auch Islamismus genannt,<\/p>\n\n\n\n Hier schlie\u00dft sich der Kreis der Argumentation. Wie schaffen wir es, mit Prinzipien dialogischer Bildungsprozesse die Vereindeutigung der Welt mit ihren autorit\u00e4ren Verunstaltungen aufzuheben?<\/p>\n\n\n\n In ihrem Grundansatz war die Zionistische Bewegung eine Befreiungsbewegung, die auf die Selbsterm\u00e4chtigung der marginalisierten Diaspora-Juden abzielte. Einige Siedlergemeinschaften organisierten sich ab 1910 in so genannten Kibbuzim mit Gemeineigentum und basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen. Politisch vertraten sie aber einen nationalistisch gepr\u00e4gten Sozialismus. Forderungen nach einer Sozialistischen F\u00f6deration im Nahen Osten blieben bis heute die Ausnahme.<\/p>\n\n\n\n In der demokratisch verfassten, israelischen Zivilgesellschaft gibt es eine Vielzahl von Bewegungen, die auf einen Dialog mit den Pal\u00e4stinensern hinarbeiten und deren Unterdr\u00fcckung und Vertreibung thematisieren, die die Politik der jetzigen rechtsradikalen Regierung ablehnen. Einige von Ihnen arbeiten auch mit den Freireschen Kategorien (z. B. Tapper\/ Kroll-Zeldin 2015:71-88).<\/p>\n\n\n\n In den besetzten Gebieten Westjordanlandes regt sich Widerstand gegen die absolutistische Herrschaft der augenblicklichen Fatah Regierung, im diktatorisch von der Hamas regierten Gazastreifen weniger, bzw. ist dar\u00fcber weniger bekannt. Samir Al-Botmed z. B. ist eine Kollegin an der Birzeit Universit\u00e4t, die Freires Konzepte der Volksbildung, der Bewusstseinsbildung und der Kultur des Schweigens mit ihren Studenten und anderen Gruppen diskutiert und in der dortigen Wirklichkeit versucht zu erproben.<\/p>\n\n\n\n In Deutschland leben etwa gleich viel Israelis und Menschen j\u00fcdischen Glaubens wie Pal\u00e4stinenser, nach Sch\u00e4tzungen und Statistiken, jeweils zwischen 90 und 120.000 Personen. Deutschland bot und bietet ihnen Schutz vor Verfolgung in ihren Herkunftsl\u00e4ndern und zumeist gr\u00f6\u00dfere \u00f6konomische Entfaltungsm\u00f6glichkeiten. Beide Personen Gruppen sind in unterschiedliche Ma\u00dfe in die deutsche Gesellschaft integriert. Seit dem 7. Oktober sind beide verst\u00e4rkten Aggressionen ausgesetzt, weil sie entweder mit der israelischen Besatzung \u2013 und Vertreibungspolitik gleichgesetzt werden, beziehungsweise als Unterst\u00fctzer des Massakers vom 7. Oktober und anderer historischer Terroraktionen angesehen werden.<\/p>\n\n\n\n Sp\u00e4testens die Vernichtungspolitik der europ\u00e4ischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland demonstrierte vor aller Welt die Berechtigung der zionistischen Bewegung. Sie war auch der geschichtliche Hintergrund f\u00fcr die Gr\u00fcndung eines j\u00fcdischen Staates in Pal\u00e4stina. Die Shoah (Hebr\u00e4isch: Katastrophe), der systematische V\u00f6lkermord an 6 Millionen Juden, war ein vorher unvorstellbares Verbrechen, das die Welt ersch\u00fctterte und das Recht der Juden auf einen sicheren Zufluchtsort \u201elegitimierte\u201c (UN Pal\u00e4stina Resolution von 1948). Die historisch konkrete Verwirklichung dieser Resolution geschah allerdings haupts\u00e4chlich milit\u00e4risch und auf Kosten der pal\u00e4stinensischen Bev\u00f6lkerung. Sie wurde von den britischen Mandatsverwaltung, den Vereinten Nationen, teilweise von den gegen Israel Krieg f\u00fchrenden arabischen Staaten, den Zionisten und von den meisten israelischen Regierungen \u00fcbergangen, ignoriert und eben milit\u00e4risch bek\u00e4mpft.<\/p>\n\n\n\n Die Pal\u00e4stinenser wurden somit zu Opfern der Opfer, die ihrerseits zu T\u00e4ter wurden\u201c schreibt Grossmann (2006: 23) zur Mit \u2013 \u201aT\u00e4terschaft\u2019 der Bewohner Pal\u00e4stinas j\u00fcdischen Glaubens.<\/p>\n\n\n\n Memmi (1967) und Fanon (1968) zitierend beschreibt Paulo Freire (1999: 44\/45) das Ph\u00e4nomen der Aus\u00fcbung von Unterdr\u00fcckung durch die F\u00fchrung und Mitglieder an der Macht kommenender nationalistischer Befreiungsbewegungen als Verinnerlichung der Unterdr\u00fcckungsmechamismen durch die vorher selbst Unterdr\u00fcckten. Das problemformulierende gemeinsame Lernen und die Analyse der eigenen Lebenssituation,<\/p>\n\n\n\n sind dialogische Prinzipien, die zur Erkennung und \u00dcberwindung dieses Verinnerlichungsprozesses beitragen k\u00f6nnen. Gruppen dieser Art, die eine solche Arbeit vor Ort leisten, gibt es sowohl in Israel, Pal\u00e4stina, \u00c4gypten, Jordanien, Syrien und im Libanon. Mit ihnen gilt es auch von deutscher Seite zusammenzuarbeiten.<\/p>\n\n\n\n Heute in Deutschland lebende Menschen haben eine besondere Verantwortung f\u00fcr den Schutz j\u00fcdischen Lebens. Denn gerade auf deutschen Boden erlebten wir, wie die anscheinend zivilisierte Ordnung der Weimarer Republik, eine Ordnung, die auf Respekt, Toleranz und Menschenrechten beruhte, jederzeit bedroht, ja sogar ohne gr\u00f6\u00dferen Widerstand beseitigt werden konnte.<\/p>\n\n\n\n Der d\u00fcnne Firnis der Zivilisation, der Mitmenschlichkeit war angesichts der Grausamkeit und Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland von 1933 bis 1945 d\u00fcnner als gedacht. Bereits im Jahre 1916 stellte Rosa Luxemburg angesichts der Kriegsgr\u00e4uel des Ersten Weltkrieges die Frage: \u201eSozialismus oder Barbarei\u201c?<\/p>\n\n\n\n 30 Jahre sp\u00e4ter gab es eine zweite Antwort: \u201eDie Barbarei ohne Grenzen\u201c (Ian Kershaw).<\/p>\n\n\n\n Staat und Zivilgesellschaft gerade in Deutschland m\u00fcssen alles tun, damit Menschen j\u00fcdischen Glaubens dort und anderswo ohne Angst vor Verfolgung leben k\u00f6nnen. Das Gleiche gilt im Sinne Grossmanns auch f\u00fcr die andere Opfergruppe, die Pal\u00e4stinenser, die aufgrund der geschichtlichen Konsequenzen des Zweiten Weltkrieges heute in der Diaspora leben m\u00fcssen. Eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl (etwa 100.000 von 6,5 Millionen) davon in Deutschland.<\/p>\n\n\n\n Islamophobie in Bezug auf die Bewohner Deutschlands islamischen Glaubens, muss genauso bearbeitet werden wie der Antisemitismus und Hass auf Israel und seine Bewohner. Gerade in Deutschland mit seinem festsitzenden Antisemitismus \u2013 nach Erhebungen und Sch\u00e4tzungen bei 15 bis 20 % der Bev\u00f6lkerung \u2013 sollte es sich verbieten, sich selbst entlastend von importiertem Antisemitismus zu sprechen. Die Formen der Bearbeitung von Islamophobie und Judenfeindlichkeit sind bereits vielf\u00e4ltig. Sie sollten staatlicherseits weiter unterst\u00fctzt werden. Eine st\u00e4rkere Vernetzung der Zivilgesellschaften Deutschlands mit denen aus Israel und dessen arabischen Nachbarstaaten ist notwendig. Polizeiliche, strafrechtliche Ma\u00dfnahmen sollten das letzte Mittel der Wahl sein.<\/p>\n\n\n\n Mitchell Bard (2023), Understanding Israel\u2019s Nation State Law. In: Jewish Virtual Library aufgerufen am 1.12.2023 unter https:\/\/www.jewishvirtuallibrary.org\/understanding-israel-s-nation-state-law<\/a><\/p>\n\n\n\n Thomas Bauer (2018), Die Vereindeutigung der Welt. \u00dcber den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Stuttgart, Reclam Nr. 19492<\/p>\n\n\n\n Nadia Ben-Youssef und Sandra Samaan Amaan Tamari (2018), Enshrining Discrimination.In: Journal of Palestine Studies<\/p>\n\n\n\n\n
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