Dialogische Erziehung 1-2/2021
Eva Peteler Flucht und Migration | 4 |
Arnold Köpcke-Duttler Zur Ächtung des Krieges | 13 |
Almut Seiler-Dietrich „Meine Augen sollen sehen, die Ohren hören, der Mund sprechen“ | 20 |
Lee Bach Bayram Vortrag bei den 11. Frankfurter Gandhi-Gesprächen | 26 |
Der Würzburger Friedenspreis ● Thomas Schmelter Idee und Intention | 33 |
● Wolfgang Hock Weg der Hoffnung in Aschaffenburg und Villavicencio | 37 |
● Jürgen Endres Beispiel KRASS in Gemünden | 40 |
Michael Pleister Religion – Interkulturalität- Gesellschaft | 42 |
Jos Schnurer Rezensionen | 48 |
Jahresüberblick 2020 | 51 |
Liebe Leserin, lieber Leser,
das vorliegende Heft im 25. Jahr der Zeitschrift konzentriert sich um das Friedens-Wort, jener Sehnsucht und Notwendigkeit unter den Menschen. Eva Peteler resümiert ihre jahrelange Arbeit in der Flüchtlingshilfe und mit einem Flüchtlingsmagazin, das sie schließlich aufgab. Arnold Köpcke Duttler betont die Verbannung des Kriegs und seiner industriellen Mittel, der Atomwaffen, als die Bedingung zur Möglichkeit des Weiterlebens auf unserer gemeinsamen Erde. Almut Seiler Dietrich präsentiert einen literarischen Parforce-Ritt zu afrikanischen Schriftstellerinnen in und am Kriegstopos, während Lee Bach Bayram einen Rückblick auf die deutsche Friedensbewegung und ihre Beheimatung darin wagt.
Der Würzburger Friedenspreis hat sich zur nicht nur regionalen Belobigung praktischer Initiativen und mutiger Personen in der zwischenmenschlichen Friedensstiftung etabliert, ein Movens politischer Alphabetisierung. Abrundend betrachtet Michael Pleister orientierende Elemente in Sprach- und Einführungskursen für Migrationswillige unserer Gesellschaft. Jos Schnurer greift die Kolonialismusdebatte auf.
Last not least sei an die Einladung zur Salzburg-Konferenz im Oktober diesen Jahres erinnert, anläßlich des 100.ten Geburtstages Paulo Freires. In Hoffnung auf ein reges Zusammenkommen und endlich wieder auf persönliche Begegnungen verbleiben wir herzlich,
Ihre
Thomas Friedrich
Joachim Dabisch
Flucht und Migration
Es gibt immer mehr als eine einzige Geschichte
von EvaPeteler
Wann genügt sie schon, eine einzige Geschichte,um das ganze Bild wiederzugeben? Die Erzählung einer einzigen Geschichte beeinflusst oder bestimmt, ob bewusst oder unbewusst, persönliche und kollektive Sichtweisen, Denkmuster und Handlungen. Sie prägt die (Selbst-) Zuschreibung von Eigenschaften und Fähigkeiten, von Chancen und Perspektiven, selbst vom Zugang zur Teilhabe und zu Rechten. Eine einzige Geschichte, oft genug wiederholt und in den Vordergrund gespielt, kann unmerklich zur verinnerlichten Identität werden, ob eines einzelnen Menschen oder einer Gesellschaft, einer Epoche oder eines Systems. Das Klischee der einzigen Geschichtemag als Filter vor individueller oder kollektiver Überforderung in einer Welt dienen, die immer komplexer und entgrenzter wird, doch es hält zugleich davon ab, nach den anderen Geschichten zu suchen.
Auf diese „Gefahr einer einzigen Geschichte“ und deren Folgen hat die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie in ihrem Beitrag zur Macht der kolonialen Klischees aufmerksam gemacht: Das Problem mit Klischees ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern dass sie unvollständig sind. Die einzige Geschichte erschwert es uns, unsere Gleichheit als Menschen zu er kennen. Sie betont eher unsere Unterschiede als unsere Gemeinsamkeiten.“1
Diese Gedanken führen zu der Frage: Wie viele einzigeGeschichtenhaben schon mein Bild von den anderen, meine Sichtweisen und mein Weltbild geprägt und was bleibt mir dadurch verborgen, um jemanden oder etwas wirklich zu erkennen und zu verstehen? Was weiß ich von der Vielzahl von Lebenswelten der Menschen, die wir klischeehaft in Milieus und Menschengruppen katalogisieren? Wer sind wirklich ‚die‘ aus dem Problemviertel, ‚die‘ auf den Fluren des Jobcenters, ‚die‘ in der Flüchtlingsunterkunft? ‚Die‘ in den Vorstandsetagen und auf der Polizeiwache, ‚die‘ in den Schlachthöfen und bei den Erntehelfern? Was ist es überhaupt, das ‚Die‘? Wie viele Geschichten kenne ich von Menschen anderer Länder und Kontinente, von ihren Lebenswelten, Überzeugungen und Kulturen? Und umgekehrt, wie viele Geschichten von uns, von unserem Land und Zusammenleben, von dem Grundkonsens, dass unser Gemeinwesen mit einem austarierten Bekommen und Beitragen am Laufen gehalten wird, erzählen wir denen, die bei uns neu angekommen sind? Welche Geschichten davon, was für uns wesentlich ist, auf was unser Miteinander aufbaut, was wir zu geben bereit sind und was wir erwarten, was für uns verhandelbar ist und was nicht? Alles beginnt dabei mit der Grundfrage, wo wir als eine so vielfältige, aber auch individualisierte Gesellschaft Räume schaffen, in denen wir erst einmal selbst darüber miteinander ins Gespräch kommen. Wo wir unsere Gemeinsamkeiten und Unterschiede gelten lassen, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass wir uns alle auf einen gemeinsamen Nenner einigen müssen – was eben nicht gleichbedeutend ist mit einer einzigenGeschichte. Wenn wir in diesem Sinne nach NgoziAdichiezu den Geschichten über unsere Gemeinsamkeiten kommen, dann muss dies auch jene einschließen, die unser Land für sich ausgewählt haben, um hier mit uns zu leben.
Den Spuren einer einzigenGeschichtekann man auch in der Frage der (Flucht-)Migration nachgehen, eines nicht nur in Europa zentralen, kontrovers aufgeladenen Themas. Ja, zunächst auch in der Auseinandersetzung mit ihren komplexen Gründen. Die Geschichtsschreibung, die uns von klein auf nahe gebracht wird, ist geprägt von der Dominanz der einenGeschichteaus der Perspektive der Überlegenen und der Mächtigen.2Wir können uns jedoch mit dem, was wir heute eigentlich wissen, nicht verschließen, unseren historischen und gegenwärtigen Anteil an Migrationsursachen anzuerkennen. Mehr noch, wir müssten uns endlich zumuten, uns mit den wahren Kosten unserer jahrhundertelangen Wohlstandmehrung zu konfrontieren; doch dazu sind wir bestenfalls theoretisch und für uns folgenlos bereit, denn die Konsequenzen wären erwartungsgemäß radikal, allein der schonungslose Diskurs darüber politisch ein Schleudersitz. Zuviel des Gewohnten würde er aus den Angeln heben und zu viele Partikularinteressen unterlaufen – doch der Elefant im Raum ist unübersehbar. IljaTrojanowbietet hier in seinem Buch DerüberflüssigeMensch3unserem vermeintlich von Werten und einer humanistischen Ethik getragenen Selbstbild zwei ebenso nüchterne wie logische Alternativen an: „Entwederesistgenug füralledaundwirkönnenmitdemglobalenWachstumsoweitermachenwiebisher,biseinesTagesalleLänderderWeltunserenLebensstandardsamtunseremVerbraucherreichthaben.OderdieRessourcensindbegrenztunddasWachstumwirdgegeneineDeckestoßen,worausfolgt,dasswirunserenWohlstandreduzierenmüssen,umdenanderenwenigstensdasRechtaufNahrungundeinwürdevollesLebenzugarantieren.JedeandereHaltungimpliziert,dasseswertvolles und unwertesLeben gibt.“
Zu der ganzen Elefantenherde im Raum, die wir bestenfalls verstohlen mustern, wenn nicht weiterhin ostentativ übersehen, gehört zweifelsfrei auch die Frage, wie wir (Flucht-)Migration künftig anders managen wollen als mit dem Lager Moria,Frontex,Dublin-Rücküberstellungen und Abschiebeflügen einerseits und der FataMorgana einer solidarischen europäischen Verteilung und Aufnahme von Schutzsuchenden und sonstigen Migranten andererseits. Eine moralisierende Argumentation und eine weitere emotionale Polarisierung dürften dabei nicht dienlich sein.
Die einzige Geschichte vom Menschen,der,aus welchen Gründen auch immer, irregulär europäischen Boden betritt, fängt zumeist schon mit dem Flaschenhals ‚Geflüchteter‘,‚Asyl-/ Schutzsuchender‘ an. Doch passt diese Zuschreibung auf jeden?
Wohl auf jene zurecht Schutzsuchenden aus (Bürger-) Kriegsregionen, auf die politisch Verfolgten und auf solche, die nach der GenferFlüchtlingskonventionSchutz beanspruchen können. Doch es gibt auch die anderen Geschichten, auch sie subjektiv nachvollziehbar. Was hat diesen nicht unbedingt Schutz suchenden Menschen bewogen, seine Heimat zu verlassen? Mit welchen Vorstellungen strebt er nach Europa, nach Deutschland, wie hat er sich seine Zukunft hier vorgestellt? Weiß er, was ‚Asyl‘ oder ‚Flüchtlingsschutz‘ bedeuten und bezieht er diesen Anspruch auf sich? Oder folgt er schlicht dem endlosen Treck der anderen, die von ihrem Land, von ihren Aussichten daheim nichts mehr erwarten und getrieben sind von der Sehnsucht nach einem besseren Leben mit guter Arbeit und Perspektive? Kommt er auf der Suche nach einer soliden sozialen Absicherung und bester medizinischer Versorgung? Nach einer guten Schulbildung und gesicherten Zukunft für seine Kinder? Nach finanzieller Unterstützung für seine Familie daheim? Im Streben nach Ansehen, Wohlstand und Heiratsfähigkeit in seinem traditionellen Umfeld? Musste er vielleicht gehen, weil die Familie, die Sippe – ob er es wollte oder nicht – ihn dazu ausersehen und, mit Geld ausgestattet, als ihren Wechsel auf die Zukunft losgeschickt hat, als ihre Investition in der Ferne gegen die Stagnation daheim? Machte er sich auf den Weg, weil er sich zu Hause dem allgegenwärtigen Sog nicht entziehen konnte, zum Sehnsuchtsort Europa aufzubrechen, weil er nicht als Duckmäuser und Versager zurückbleiben wollte?4 So viele individuelle Geschichten in den Biografien, in den Plänen und Vorstellungen, oft genug eine Mischung aus mehreren Beweggründen, um aufzubrechen. Noch entwaffnend offenherzig und ehrlich – und beileibe nicht immer ‚asylkonform‘ – sind sie in dem Band Neu inDeutschland5 festgehalten.
Nicht alle finden sich schließlich in diesem großen Topf ‚Asyl‘ wieder, die vielen gehörten oder ungehörten, mitunter bewusst verschwiegenen Geschichten. Sie reduzieren sich hier zu der einen Geschichte, an die sich die Hoffnung des Bleiberechts-/ Asyl-suchenden klammert. Wenn er nicht glaubhaft darlegen kann, warum er Anspruch auf ebendiesen Asyltitel bzw. einen anderweitigen Schutzstatus hat oder wenn er als Dublin-Fall identifiziert wird, katapultiert ihn der Filter ‚Asyl‘ zumeist aus der Bahn seiner Pläne und Perspektiven. Wer je Gespräche mit abgelehnten Asylbewerbern geführt hat, kennt deren Unverständnis für ein System, das nur wenige Lebensgeschichten als Passierschein in das erhoffte neue Leben zulässt – ganz gleich, wie gewichtig und dringlich die anderen subjektiv empfunden werden. Ganz gleich, welche Menschen dahinter stecken. Ganz gleich, ob wir schlüssige und perspektivisch sinnvolle Antworten für all jene haben, die irgendwie doch hier bleiben, obwohl sie es eigentlich nicht dürften, doch ohne ihr Leben selbst in die Hand nehmen zu können, ohne einen Ausweg vor oder zurück.
Der Sehnsuchtsort Europa ist für viele Migranten die Hoffnung, der Lebensgefahr von Krieg und Gewalt oder der Ausweglosigkeit ihrer prekären Lebenslage zu entkommen oder schlicht darauf, ebenfalls an dem Lebensstandard zu partizipieren, den sie mit ihren Zielländern verbinden. Für sie sind diese Länder, besonders das Sehnsuchtsland Deutschland, der Inbegriff der einenGeschichtevon einem guten Leben, von Sicherheit und Wohlstand. Und diese Geschichte scheint heute so zum Greifen nah wie nie zuvor, die digitalen Plattformen und sozialen Netzwerke transportieren sie in jeden Winkel der Erde. Doch was davon ist wahr, was Fiktion? Wie oft werden denn auch die anderen Geschichten von Einsamkeit, Enttäuschung und Scheitern erzählt, von zerplatzten Träumen und verwehrten Perspektiven? Was ist bloß eine regenbogenfarbene Marketingmasche der vielen Anwerber, Mittelsmänner und Schleuser oder die Darstellung eines Freundes oder Bruders in der Ferne, der sein Leben dort in seinem Profil verklärt, um daheim dem erwarteten Bild zu genügen? Und nähren wir andererseits diese verlockenden Geschichten mit dem, was wir hier systemisch vorhalten, nicht auch selbst?
Die eineGeschichtederer, die es wirklich oder vermeintlich geschafft haben, stärkt eine ansteckende Sehnsucht, die so viele aufbrechen lässt. Manche verlieren unterwegs ihr Leben, für andere kann die gefahrvolle Reise auf der Straße, in prekären Verhältnissen auf dem schwarzen oder grauen Arbeitsmarkt enden oder in der komplexen Arbeitswelt der EU-Länder im Drehtüreffekt von Helferjobs und staatlicher Unterstützung. Nicht allen, die es sich vorgenommen haben, gelingt ein erfolgreicher Start ins neue Leben mit Ausbildung, Studium oder einem guten Job. Doch die eineGeschichtevon Europa weckt Hoffnung und treibt an, oft ohne auch die anderen Geschichten zu kennen oder sie wahr haben zu wollen. Oder trotz ihrer Kenntnis, aber mit der Entschlossenheit desjenigen, der daheim nichts mehr zu verlieren hat, für den es kein Zurück gibt.
Europa als Sehnsuchtsort vieler verfolgter Menschen und auch derer, die schlicht ein besseres Leben für sich wollen, steht so vor der Quadratur des Kreises, einmal all denen, die Schutz brauchen, diesen nicht nur ohne Wenn und Aber zu gewähren, sondern sie auch erfolgreich in ihre Gesellschaften einzugliedern und sie zu befähigen, sich dort selbst ein neues Leben aufzubauen. Zugleich aber stehen auch für die ankommenden Migranten auf der Suche nach einer besseren Zukunft, jedoch ohne Schutzanspruch, angemessene Antworten noch aus. Doch was ist hier ‚angemessen‘? Wo finden sich für alle, die kommen und kommen wollen, auch Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu verdienen?
‚Wir haben Platz‘, dieser Spruch fühlt sich vielleicht gut an, aber haben wir wirklich genug Platz, passende Konzepte, Integrationskapazitäten und -anreize dort, wo die (Flucht-)Migranten fast immer hinwollen, in den großen Städten und Ballungsräumen, wo die Infrastruktur und Mobilität besser und das Netzwerk der Landsleute eher gegeben sind? Und übrigens, einen besseren Werbeslogan als die ‚Wir haben Platz‘-Originalstimmen aus Deutschland kann es für Schlepper in aller Welt wie für die von Sehnsucht Getriebenen selbst gar nicht geben.
Mit oder ohne Frontex, mit oder ohne Arbeitsverbote, mit oder ohne hohe Ablehnungszahlen und die Lebensfalle Duldung, die Menschen kommen einfach und werden weiter kommen, solange das Gefälle zwischen ihren bisherigen Lebensperspektiven und dem, was sie hier zu finden hoffen, so groß ist – was es wohl noch lange bleiben wird. Sie kommen, wenn wir es ihnen mit martialischen Abwehrmaßnahmen nicht verwehren, und suchen sich ihre Wege durch Europa, ungeachtet unserer Grenzen, Regulierungen und Vorstellungen. Viele Migranten sind dabei vom europäischen Schattenarbeitsmarkt nicht mehr wegzudenken und wir alle profitieren stillschweigend von ihrer Ausbeutung. Auch das gehört zur Wahrheit, wenn wir uns offiziell auf Arbeitsverbote kaprizieren.
Manche ziehen, nie anerkannt, nie wirklich angekommen, von einem Land zum anderen, schlagen sich irgendwie durch und verkaufen ihre Arbeitskraft dort, wo wir gar nicht hinschauen mögen6.Oder sie sitzen in Flüchtlingsunterkünften herum, alimentiert und ruhiggestellt, hoffend auf Aufenthaltsstatus und Arbeitserlaubnis und doch oft ohne Chance darauf. Das ist eben nicht die einzigeGeschichtevom guten Leben in Europa,sondern es sind deren viele, auch schwierige, aufgeladene, harte Geschichten. Wie mit ihnen umgehen, humanitär und zugleich im Bewusstsein, dass es schwer realisierbar und nicht mehrheitsfähig sein dürfte, alle, die nach Europa streben, regulär auch kommen und bleiben zu lassen? Gerade deshalb gilt es, miteinander neue Formen eines zeitgemäßen europäischen und deutschen Migrations-Managements auszuhandeln, die zum einen sichere Wege für die als schutzbedürftig Registrierten öffnen und zugleich für die anderen neue, legale (Pendel-)Migrationsformen, klar definiert und reguliert, zu entwickeln; Konzepte, die moderne, durchlässige Grenzen nicht von vorn herein mit einem Kontrollverlust verwechseln.7Dann gilt es aber auch, konsistente, durchsetzbare Antworten darauf zu finden, wie mit all jenen zu verfahren ist, die jenseits aller Regeln und Kontrollmechanismen weiter irregulär kommen. Welche Grenzen wagen und wollen wir also, mit welchem Selbst- und Weltbild treten wir dort an, um dem Menschheitsphänomen (Flucht-)Migration zu begegnen?
Es gibt bereits, zumindest als Anfang der anderen Geschichten, Modelle jenseits eines starren staatenbasierten Verteilungsmechanismus, das Netz der aufnahmebereiten Sicherer-Hafen- Kommunen und -Regionen quer durch Europa.8
Wie stellt sich die Politik eine funktionierende europäische Verteilung der Migranten und Asylsuchenden denn sonst vor? Abgesehen von den noch gar nicht absehbaren volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind die ökonomischen Unterschiede zwischen den EU-Staaten samt der Folgen für den Einzelnen doch selbst für die eigenen Bürger enorm, erst recht die gegebenen oder auch politisch gewollten Voraussetzungen für die Aufnahme von Migranten. Würden Sie denn in dem Ihnen zugewiesenen Land bleiben, wenn Sie dort nicht willkommen und fremdenfeindlichen Ressentiments ausgesetzt wären, wenn weder Ihre Unterbringung noch Versorgung noch Perspektiven auch nur annähernd an die Standards und Möglichkeiten in Ihrem eigentlichen Wunschland heranreichten? Die Asylsuchenden sind nicht ahnungslos, sondern gut vernetzt und informiert über die Angebote des Ziellandes, sie haben einen Plan und eine konkrete Vorstellung von ihrer Zukunft, sie wissen, was und wohin sie wollen. Und die Migrationswege sind zumeist gut organisiert und machbar. Was taugt also die unehrliche eineGeschichteder europäischen Lösung in der Migrationsfrage angesichts der Realität, die mit den Füßen geschaffen wird – und die wir dann mit Rücküberstellungen nach der Dublin-Verordnung einzufangen versuchen? Wie soll überdies ein noch so elaboriert ausgearbeiteter EU-Verteilungsschlüssel angesichts des realen Alltags funktionieren, der selbst für Einheimische in vielen EU-Ländern einen harten Existenzkampf in einer bis zum Anschlag deregulierten und liberalisierten Arbeitswelt bedeutet, schon vor, und vermutlich erst recht nach der Pandemie? Gerade dort Perspektiven für die zumeist jungen Zugezogenen zu erwarten, wo schon für die eigene junge Generation die Aussichten eher düster sind, ist realitätsfremd. Die einzigeGeschichtedes sogenannten europäischen Asylsystems scheitert in ihrer jetzigen Form aus vielen Gründen. Sie muss, ausgehend von den vielschichtigen Geschichten der (Flucht-)Migration, aber gleichermaßen auch von den Geschichten der aufnehmenden Gesellschaften, neu geschrieben werden.
Ein differenzierter, kritischer Blick jenseits der einzigenGeschichteempfiehlt sich nicht nur auf der großen politischen Ebene, sondern auch im Alltagsgeschäft des Prozesses, den wir als Integration zu beschreiben versuchen. Ein besonderes Projekt, das sich auch damit intensiv beschäftigt hat, war für mich in den vielen Jahren meiner Tätigkeit in der Unterstützung von Geflüchteten, in ihrer individuellen Begleitung und zunehmend in der strukturellen und politischen Hintergrundarbeit unser Magazin Heimfocus.Sieben Jahre lang war es eine der anfangs raren Informationsquellen zum Thema. Wir starteten mit einem kleinen Team, ohne Geld und Erfahrung, aber hoch motiviert und im Laufe der Jahre mit einer beträchtlichen Lernkurve in Themenvielfalt, Qualität und kritischem Anspruch. Das wurde mit einem steigenden Interesse an unserer Arbeit und mit dem Erschließen weiterer Kreise und Kontakte honoriert. Warum wir das Magazin dennoch eingestellt haben, so eine häufige Frage, hat zwei Gründe. Der eine ist so banal wie menschlich: Sich konstant und verlässlich den Niederungen der interessanten, aber auch fordernden Redaktions- und Vertriebsarbeit verpflichtet zu fühlen, war nicht bei allen gegeben und ließ irgendwann nur eine Konsequenz zu.
Der zweite Grund für das Ende des Magazins wiegt schwerer und offenbart ein heikles Dilemma, das wir nicht zu lösen vermochten. Schlussendlich empfanden wir unsere Arbeit wegen des blinden Flecks in Gestalt dieser anderen, nicht ausgesprochenen Geschichten als unehrlich und einseitig: Wie in dem offensichtlich besonders sensiblen Bereich Flüchtlingsarbeit auch für die verschwiegenen Geschichten über Integrationsunwillen, über die Ausnutzung der Sozialsysteme und Mitnahmeeffekte die geeignete Ausdrucksform finden, ohne missverstanden zu werden? Mit dem Verlassen des stillschweigend vereinbarten Erzählrahmens geht auch das Risiko einher, sich angreifbar zu machen. Doch als jemand, der schon lange in der Flüchtlingsarbeit tätig ist und dem es ein Anliegen ist, dass die zu uns migrierten Menschen gut Fuß fassen und ein Teil der Gesellschaft werden, will ich darüber nicht mehr nur schweigen. Ich merke, dass solche Geschichten etwas mit mir machen, was nicht gut ist, ich merke es auch bei anderen Unterstützern von Geflüchteten, die sich offenbaren. Und ich sorge mich um ihre möglichen Auswirkungen in der Breite der Gesellschaft.
Heimfocusberichtete oft und gerne über die vielen offenen, aktiven Menschen aus allen möglichen Ländern, die den Stier des Neuanfangs bei den Hörnern gepackt haben, die, ob mit oder ohne Kurs, die Sprache gut gelernt haben, schlicht weil sie es selbst unbedingt wollten, die gekämpft haben und immer wieder aufgestanden sind, wenn sie eines der vielen behördlichen und strukturellen Hindernisse ausgebremst hat. Die mit ihrer Strebsamkeit, manchmal auch mit einer Portion Glück und einer engagierten Unterstützung, ihren Weg gefunden haben und gut angekommen sind. Wir klagten immer wieder die politische Rigidität, die unsinnigen Hürden und Verordnungen an, die sich aus ideologischer Willkür und zum Schaden für uns alle an Status- und Formfragen aufhängen und die individuellen Leistungen missachten. Viele Einzelschicksale hängen von dem politisch gesetzten Rahmen ab, der ihr Fortkommen ermöglicht, fördert oder verhindert. Dabei entscheidet oft der Zufall oder eine Portion Glück, sei es in Gestalt der Unterbringung, die zugewiesen wird und der Mobilität, die sie bedingt, der Behördenmitarbeiter und/ oder Unterstützer, die weiter helfen, des verständnisvollen Anhörers oder Richters – oder eben nicht. Viele entscheidende Wegmarken sind keine systemisch verlässliche, gerechte Größe. Was dabei an beiden Enden herauskommt, sind einmal Geschichten von denen, die sich anstrengen, sich Erfolge erarbeiten (dürfen) und ankommen, andererseits aber auch von jenen, die den einfacheren Weg wählen, weil sie so auch ohne eigenes Zutun gut fahren und wir sie lassen. Für viele Migranten kommt dem Zugang zur Arbeit aus unterschiedlichen Gründen eine elementare Bedeutung zu.9
Warum spricht man überhaupt Beschäftigungsverbote aus, anstatt alle Geflüchteten in Bewegung zu halten und für ihren Lebensunterhalt nach ihren Möglichkeiten primär selbst aufkommen zu lassen, solange sie, auf welchem Aufenthaltsticket auch immer, bei uns leben? Warum etabliert man zunächst einen Lebensentwurf mit staatlicher Alimentation, an dem die einen verzweifeln und an den sich die anderen so gewöhnen, dass sie später alles tun, um ihn nicht wieder zu verlieren, diese geregelte, zeitlich unbegrenzte umfängliche Absicherung und Versorgung, bei der sich die eigene Anstrengung nicht unbedingt lohnt?
Es ist doch hinreichend belegt, wie sich Langzeitarbeitslosigkeit auf den Menschen auswirkt – selbst ungeachtet der sprachlichen und kulturellen Komponente; wie Dynamik, Selbstvertrauen, Selbstmotivation und Kompetenzen dabei verloren gehen. Es wäre doch zielführender, gleich von Anfang an und für alle effiziente verpflichtende Sprach- und Alltagskompetenzkurse vorzusehen, mit nachfolgender Beschäftigungserlaubnis und durchaus auch -verpflichtung. Und für diejenigen ‚mit schlechter Bleibeperspektive‘ oder in Duldung, ob mit oder ohne geklärte Identität, die sich ins Zeug legen und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, einen Spurwechsel zu einem Aufenthaltsstatus in Aussicht zu stellen. Einbindung in die Arbeitswelt ist doch mehr als bloße Beschäftigung, sie bedeutet Tagesstruktur, Anerkennung und Einstieg in die Aufnahmegesellschaft. Von Anfang an alles, nur nicht sitzen, das bemerkte in seiner kernigen Art einst RupertNeudeck nach der Besichtigung einer Erstaufnahmeeinrichtung. Man kann diesem migrationserfahrenen Pragmatiker eine Sachkenntnis unterstellen, die in den technokratischen Mühlen der Politik Gehör finden sollte.
Die einen wollen vorankommen, sie strengen sich an und schaffen es – oder werden mitunter, je nach Status und Behördenentscheidung, daran gehindert, ausgebremst, im schlimmsten Fall sogar abgeschoben. Und dann sind da noch die anderen Geschichten von schlicht nicht gewollter bzw. nicht als nötig erachteter Integration, deren Gründe nicht auf uns zurückweisen. Anstrengung lohnt sich nicht immer, ihr Mehrgewinn gerade in Familien(verbänden) überzeugt oft rein rechnerisch nicht. Auch wenn dies, wie manches in diesem Kontext, kein migrantisches Problem ist, hat es hier doch eigene, integrationsspezifische Folgen. Anstrengung wird nicht immer eingefordert und das erklärte Ziel offensichtlich nicht immer deutlich genug formuliert, so bald wie möglich und primär jenseits unserer eigentlich subsidiären Unterstützungsstrukturen auf eigenen Beinen zu stehen.
Es muss irgendwann einmal so deutlich ausgesprochen werden, weil diese Geschichten genauso inakzeptabel und gesellschaftlich brisant sind wie diejenigen, in denen tüchtige, strebsame Menschen nicht mit allen Mitteln gefördert, sondern im Gegenteil ihrer Chancen beraubt werden. Mit gutem Einblick in die Welt ihrer Landsleute wird nicht zuletzt von erfolgreich integrierten Geflüchteten selbst die Kritik an unseren mitunter falschen Weichenstellungen und Anreizen oft schärfer und prägnanter geäußert, als wir es uns jemals trauen würden. Es sind Geschichten von Lebensentwürfen, die an der sozialen Absicherung durch Transferleistungen festhalten, an der Delegierung von Verantwortlichkeiten auf andere, ob haupt- oder ehrenamtlich, und am vertrauten Rahmen der eigenen Community. Geschichten von Eltern, die selbst nach Jahren in Deutschland und selbst nach hunderten von Deutschstunden im Integrationskurs noch für jeden Gang auf ihre Kinder zurückgreifen müssen – weil wir sie lassen. Geschichten von jahrelangem mehr ‚Können‘ als ‚Müssen‘, von hingenommenen kulturellen und persönlichen Hemmnissen, von fehlender Verpflichtung, sich eigenverantwortlich zu bemühen, hier anzukommen, so zügig wie möglich die Sprache zu lernen und selbst für sich zu sorgen, so gut man es vermag.
Es sind unverständliche Geschichten, gerade auch, weil wir selbst es sind, die ein Durchlavieren durch unsere Unterstützungssysteme offenkundig möglich machen und weil gerade diese Fälle unter Umständen letztlich auch denen auf die Füße fallen, die sich hier anstrengen und gut integrieren. Es sind Geschichten von partiellen, segmentierten Zuständigkeiten, die dazu führen, dass offensichtlich niemand im System schließlich für das große Ganze des misslingenden oder nicht gewollten Integrationsprozesses verantwortlich ist. Dabei geht es mitunter durchaus um Lebenssituationen, die keineswegs zum weitverbreiteten Narrativ vom armen, abgehängten Leben im Sozialhilfebezug passen und bei denen man keine Antwort darauf findet, wieso sie niemandem auffallen. Es sind letztlich auch Geschichten von systemischer Ungerechtigkeit, von großem Druck auf die einen Erwerbsfähigen, jede Arbeit anzunehmen und von gar keinem Druck auf die anderen Erwerbsfähigen, die offensichtlich unter dem Radar der Behörden bleiben. Welches Bild gibt da unser Gemeinwesen ab, wenn es manchen so einfach macht, sich hier bar jeglicher Eigeninitiative in einer so umfassenden Versorgung einzurichten, wie sie in der Heimat oder sonstwo auf der Welt kaum denkbar wäre?
Es sind Geschichten, die niemandem zu vermitteln sind und auch wenig mit Behandlung auf Augenhöhe zu tun haben. Die auch nichts mit Populismus gemein haben, sondern im Gegenteil benannt und gelöst werden müssen, um Populismus entgegenzuwirken. Und es handelt sich zudem um Bilder von Lebenswelten, die natürlich nach Hause gefunkt werden und dort ihre Wirkung entfalten. Machen wir uns nicht vor, wir haben kein konsistentes, konsequentes Integrationsmanagement. Und wir unterschätzen ferner, gerade bei jenen Geflüchteten, die sich ohne Auseinandersetzung mit der neuen Heimat durch (Aus-)Bildung und Arbeit nur in ihrem traditionellen Umfeld bewegen, welchen Einfluss die internetbasierte Echtzeitpräsenz der Familie nah und fern, der vertrauten heimatlichen Traditionen und Sprache rund um die Uhr auf die Motivation zur Integration haben kann.
Was fördert oder hemmt also – übrigens grundsätzlich, ohne Ansehen der Herkunft – die Eigeninitiative und Selbstverantwortung? Was hält vom eigenen aktiven Zugehen auf die Nachbarschaft und Gesellschaft ab? Wo fehlt es vielleicht am richtigen Rahmen, an Ermutigung und Bestärkung, an der Vermittlung von Alltagskompetenzen und Wissen darüber, wie hier Gesellschaft und Staat funktionieren und auch von den Erwartungen, die die aufnehmende Gesellschaft an die richten darf, die hier leben wollen? Offensichtlich haben wir dies bisher nicht gut geschafft. Und vielleicht wäre es auch an der Zeit, die Grundsatzfrage zu stellen, ob es nicht ebenfalls zum Respekt und zur Gleichbehandlung auf Augenhöhe gehört, die einen Migranten nicht anders aufzunehmen, zu befähigen und dabei zu unterstützen, so zügig wie möglich ihr Leben selbstverantwortlich zu gestalten, wie wir es von jenen verlangen, die auf der Suche nach einem besseren Leben aus den anderen EU-Ländern und vom Balkan zu uns kommen.
Forderungen nach einer humanen und zugleich pragmatischen Gestaltung der (Flucht-)Migration konfrontieren uns nicht zuletzt auch mit ungelösten politischen Systemfragen in fundamentalen Kernbereichen wie gerechte Bildungschancen, Grundrecht auf Wohnraum und Gesundheit, Bekämpfung struktureller Benachteiligungen und wachsender Ungleichheit, Schutz vor Ausbeutung und Armut u.v.m. Wie setzen wir es politisch durch, die Arbeitswelt so zu reformieren und zu regulieren, dass prekäre, atypische Leih-, Abruf- und Zwangsteilzeitarbeitsverhältnisse wieder in sichere, gute, gerecht entlohnte Arbeitsplätze umgewandelt werden? Dass es für jeden zu einem würdigen Leben reicht?
Die politisch gewollte und herbeigeführte strukturelle Ungleichheit betrifft alle, zeigt sich jedoch gerade in den Bereichen, von denen Geflüchtete und Migranten besonders betroffen sind. So gehört beides zusammen auf den Tisch, die Ausgestaltung einer von beiden Seiten gewollten Integration und grundlegende politische Erneuerung. Die genannten Forderungen sind dabei nicht nur in Bezug auf Deutschland zu stellen, sondern schließen zumindest all jene ein, die in unseren Lieferketten und globalen Handelsbeziehungen eingebunden sind. Sie schließen ebenso die Ausrichtung unserer Außenpolitik ein, ob in Fragen ihrer Militarisierung oder der Sanktionen, die Volkswirtschaften und den ausgelieferten Menschen gleichermaßen die Luft abschnüren. Soviel – zumindest als Anfang – auch zu unserem Anteil an der ‚Bekämpfung von Fluchtursachen‘.
Die irrige einzigeGeschichtebegegnet uns – wieder im Spiegel der (Flucht-)Migration – noch in einer anderen Gestalt. Wie lange noch ist die Grundannahme haltbar, dass Lohnarbeit den Lebensunterhalt sichern kann und wird? Gibt es perspektivisch genug von einer würdigen, auskömmlich entlohnten Arbeit für alle? Was, wenn nicht?Welche fundamental neuen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konzepte müssen nicht nur für eine sich rasant wandelnde Arbeitswelt, sondern auch als Antwort auf die Bedrohung von Lebensräumen durch die Klimakatastrophe, durch den Verlust der Biodiversität oder durch Kriege und Konflikte global entwickelt werden? Geben wir den vielen überfälligen Geschichten, die neu erörtert und ausgehandelt werden müssen, den Raum, der ihnen in ihrer Dimension und Brisanz zusteht?
Es besteht sicherlich Einigkeit darüber, dass Integration nicht mit Assimilation gleichzusetzen ist und dass sie einen Prozess darstellt, dessen Gelingen das aktive Zutun von beiden Seiten voraussetzt; einen Prozess, der aber auch gelingen muss, wenn uns der soziale Friede und ein von allen gleichermaßen getragenes Gemeinwesen wichtig sind. Es geht dabei nicht nur um partizipieren ermöglichen, sondern auch um partizipieren wollen. Geschichten von Defiziten, für die der politische und strukturelle Rahmen verantwortlich zeichnen, werden zurecht vorgebracht, auch Abwehrhaltung und fremdenfeindliche Ressentiments bis zum manifesten Rassismus in Teilen der Bevölkerung zurecht angeprangert und bekämpft. Doch angesichts dessen, dass Integrationsschritte eben von beiden Seiten erfolgen müssen, hört man neben all den erfreulichen Erfolgsgeschichten von gelungener Integration erstaunlich wenig über Integrationsunwillen und alimentierten sozialen Rückzug in traditionelle Lebensentwürfe.
Noch weniger übrigens dazu, dass dies schlussendlich auf unseren institutionellen Rahmen verweist, der es ermöglicht und toleriert. Lösungsorientierte, wenngleich erwartbar kontroverse Debatten auch darüber anzustoßen, sachlich und offen wirklich alle Seiten und Aspekte der Integrationsprozesse zu beleuchten, hätte sich Heimfocusvielleicht noch als letzte Aufgabe vornehmen können. „Geschichtenwurdenbenutzt,umzuenteignenundzuverleumden“, so NgoziAdichie10, „aberGeschichtenkönnenauchgenutztwerden,umzubefähigenundzuhumanisieren.“ Die vielen unterschiedlichen, auch unbequemen Geschichten anzugehen, um, ganz im Sinne von NgoziAdichie,zu befähigen, täte gut. So könnten neue, pragmatische Antworten auf die Vielfalt der gemeinsamen Herausforderungen entwickelt werden.
Eva Peteler, Würzburg
Ärztin
1 Chimamanda Ngozi Adichie: Die Gefahr einer einzigen Geschichte. In: Publik Forum Nr. 13 v. 18.07.2020
2 Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit. Pantheon, München 2015
Fabian Scheidler: Das Ende der Megamaschine. Promedia, Hamburg 2015
3 Ilja Trojanow: Der überflüssige Mensch. Residenz, Wien Salzburg 2013
4 Heinrich-Böll-Stiftung (Hg): Die Orangen in Europa schmecken besser. Über Fluchtursachen, ihre Bekämpfung und was daran nicht stimmt. Schriftenreihe Demokratie Bd. 48, Berlin 2018
5 Addis Mulugeta/ Caroline v. Eichhorn: Neu in Deutschland. Schriftenreihe Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2016
6 Gilles Reckinger: Bittere Orangen. Ein neues Gesicht der Sklaverei in Europa. Schriftenreihe Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2018
7 Gerald Knaus: Welche Grenzen brauchen wir? Zwischen Empathie und Angst – Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl, Piper, München 2020
8 Andrea Dernbach: Jetzt schon 200 Kommunen, die Geflüchtete aufnehmen wollen. In: Tagesspiegel, Berlin v. 21.10.2020
9 https://statistik.arbeitsagentur.de/ Bundesagentur für Arbeit: Berichte Arbeitsmarkt kompakt: Fluchtmigration. Nürnberg, Dez. 2019
https://mediendienst-integration.de/ Sascha Lübbe/ Fabio Ghelli: Wie geht es den Flüchtlingen heute? 5 Jahre Wir schaffen das. In: Mediendienst Integration 31.08.2020
10 Chimamanda Ngozi Adichie: Die Gefahr einer einzigen Geschichte. In: Publik Forum Nr. 13 v. 18.07.2020